gaʒʒe
swstF.
selten st.
‘Gasse, Straße (in einer Stadt, einem Dorf)’
1 eigentl. 1.1 allg. 1.2 übertr. 2
‘Ortschaft, Dorf’
1
eigentl.
1.1
allg.:
die gazzen wâren spils vol, / als ez ze hôchzîten sol Er
248;
turne und palas / was diu gazze wol berâten
Ottok
44671;
swer auch miste, stein oder holtz hat ligen in den gazzen
[...], der sol daz auz und dannen fuͤren in
drien tagen WüP
106c,2;
die [Lastpferde] zogeten hin die
gazzen Parz
18,20;
so han ich bi den wine fride / [...] vnd la dich
durch die gassen iagen MinneR418(M)
60;
die [...] tantzen, ballen
entvlihen / abendis uf den gazzen Daniel
2041.
2933.
– mit adj. Attr.:
die wîten gazzen wurden mir [in meiner
Angst] vil enge Neidh
WL 14:6e,6;
ganc ûz an die engen und wîten gazzen und bî den ziunen und an die
breiten strâzen Eckh
1:338,3
(vgl. Lc 14,21 und 23f.);
in der langeͮn gasseͮn UrkCorp (WMU)
1154,10;
ain igleich man mag aus seinem erb wol venster machen in gmain gassen,
aber in seins nachpaurs hoffe mag er nicht venster machen StRBrünn
402.
– in (formelhafter) Verbindung mit strâze, kirche:
gazzen vnde strazzen, / fluzzen alle von blute
Herb
16223;
unte uuil ín sûochan áfter déro burg, in gázzon unte
in strâzzon Will
48,3;
dâ hôrter [...] in gazzen
unde in strâzen / von clage al solch gelâzen, / daz ez in muote starke
Tr
6021;
wir sehen ce gazzen unt ze chirchen / umbe die armen
tagewurchen / diu nicht mêr erwerben mac Erinn
319;
diu müet uns ze kirchen und ze gazzen, / dazs uns allen machet
wart [= wort, Nachrede]
Neidh
WL 2:4,7.
– in Straßennamen:
vmbe ein hus, das lit in des Turners gassen ze Friburg
UrkCorp (WMU)
2726,42;
an deme hvse ze Nvwenbvrch, dc da stat in Mvlnheimer gassvn ebd.
1491,30;
jn der webirgassun ebd.
1383,37;
in der gerwer gassun ebd.
2133,17
1.2
übertr.:
eine
~
durch die Feinde:
durch daz chreftige her / sluͦgens
[...]. / vil wit waren ir gazzen Rab
676,5;
Loheng
4434;
Biterolf der starke, / eine gazzen er durchsluoc / lanc unde wît
genuoc / al durch der Pôlâne her Bit
3579.
3627;
er machte in dem gedrange / vil harte wite gazzen
Rennew
30043;
Loheng
4604;
sîn swert Schoyûse [...], /
dâ mit er sölhe gazzen sluoc, / des manc storje wart entrant
Wh
40,18;
Rennew
23751
2
‘Ortschaft, Dorf’
und diu hochgezit waz in ainer gasson, diu hiez Chanâ [vgl. Io
2,1
]
PrSchw
2,16;
vnd er [Jesus] begreife hant des
blinden, vnd fvrt in vz für di gazzen [
extra vicum
Mc 8,23
] oder für den weilere EvAug
96,16;
EvBeh
Mc 6,56.
Mc 8,23.
Mc 8,26
gaʒʒen
swV.
‘zur Gasse machen’
diz was in einir enge, da / mit einir dúrren mure was / der
weg gegazit RvEWchr
14635
gaʒʒenliute
st.Pl.
‘Bewohner einer Gasse’
swer der ist, der ein unendelich
versprochene [ehrlose, schlecht beleumundete] frauwen
huset oder herberget, ez si des nahtes oder des tages, daz keinerleye unfuͤr
darinne geschehe, oder den luten davon schaden widervarn moͤhte, der sol
geben dem rate 5 ß #(Pfennig), und sol geben den gazzen luͤten 5 ß
#(Pfennig), und sol 4 wochen die stat rumen WüP
62,6
gaʒʒenmist
stM.
‘Straßenkot, -dreck’
dornoch so werfin si erde vmme den stok, di do gemischt ist
mit gassinmiste, das man lutum heyst czu latine Pelzb
130,27;
daz er iz [das Volk] roube und den
roub buyte und mache daz zu eynir trate als einen gazzenmist
[
ponat illum in conculcationem quasi lutum
platearum
]
Cranc
Jes 10,6;
nu wirt si [
mine
unvrundinne
] getretit als ein gazzenmist ebd.
Mi 7,10
gaʒʒenspringer
stM.
‘der auf der Gasse herumläuft’
daz kraut ist an kraft haiz und trucken und ist den
zaubræren gar nütz. daz wizzent die wol, die in den netzen sint gewesen. aber die
haimleichait und ander schol diser [?] gazzenspringer
niht wizzen BdN
424,12
ge-
Präfix zur Ableitung von Substantiven und Verben
1 Die Substantive mit ge- sind in der Mehrheit Kollektiva (z.B. die stN.
gederme , geræte zu darm , rât ) oder
Personenbezeichnungen (z.B. gebûr , gebrüeder ) zu i.d.R.
ebenfalls belegten Ableitungsbasen 2 Die Verbbildungen mit ge- stellen eine Besonderheit dar; fast jedes
Verb kann mit ge- verbunden auftreten 2.1 Der größte Teil der ge -Bildungen hat gegenüber der Ableitungsbasis
keine neue Bedeutung oder Bedeutungsnuance (z.B. gebinden ,
geloufen ), sondern verändert die Satzaussage, möglicherweise kann
eine aspektuelle Verwendung angenommen werden
( ‘Perspektivierungsalternativen’ , vgl. E. Leiss, Die
Verbalkategorien im Deutschen. Ein Beitrag zur Theorie der sprachlichen
Kategorisierung (Studia linguistica Germanica 31), Berlin / New York 1992, S.
285). 2.2 Ein geringer Teil der ge -Verben weist eine abweichende Bedeutung
oder eine zusätzliche Gebrauchsvariante zur Ableitungsbasis auf (z.B.
gebrësten , gedingen ).
1
Die Substantive mit ge- sind in der Mehrheit Kollektiva (z.B. die stN.
gederme, geræte zu darm, rât) oder
Personenbezeichnungen (z.B. gebûr, gebrüeder) zu i.d.R.
ebenfalls belegten Ableitungsbasen
2
Die Verbbildungen mit ge- stellen eine Besonderheit dar; fast jedes
Verb kann mit ge- verbunden auftreten
2.1
Der größte Teil der ge-Bildungen hat gegenüber der Ableitungsbasis
keine neue Bedeutung oder Bedeutungsnuance (z.B. gebinden,
geloufen), sondern verändert die Satzaussage, möglicherweise kann
eine aspektuelle Verwendung angenommen werden
(‘Perspektivierungsalternativen’, vgl. E. Leiss, Die
Verbalkategorien im Deutschen. Ein Beitrag zur Theorie der sprachlichen
Kategorisierung (Studia linguistica Germanica 31), Berlin / New York 1992, S.
285).
Sehr häufig kommen ge-Bildungen in Kookkurrenz mit Modalverben
vor, stehen in negativen Aussagen oder drücken die Vorzeitigkeit einer Handlung
aus.
Weitere typische Vorkommenskontexte sind verallgemeinernde Aussagen,
futurische Aussagen oder Bedingungssätze (vgl. Mhd. Gr. Wortb. § V 192-217; R.
Schrodt / K. Donhauser, Tempus, Aktionsart / Aspekt und Modus im
Deutschen, in: Sprachgeschichte. Hg. von W. Besch u.a. 2. Aufl. 3. Teilbd.
(Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 2.3), Berlin / New York
2003, S. 2504-2525)
2.2
Ein geringer Teil der ge-Verben weist eine abweichende Bedeutung
oder eine zusätzliche Gebrauchsvariante zur Ableitungsbasis auf (z.B.
gebrësten, gedingen).
Die Beurteilung der Fälle ist sehr diffizil, weil auch dann, wenn die oben
genannten Voraussetzungen vorliegen, die ge-lose Ableitungsbasis
stehen kann.
Im Allgemeinen kann während des mhd. Belegzeitraums ein starker Rückgang
der ge-Bildungen beobachtet werden.
– Im MWB wird abweichend zur Tradition der mhd. Lexikographie, in der
ge-Bildungen i.d.R. als selbständige Lexeme angesetzt wurden,
vorgegangen:
Kommen die Belege eines präfigierten Verbs ausschließlich in gleicher
Bedeutung wie die Ableitungsbasis vor und stehen sie zudem in einem der oben
genannten Vorkommenskontexte, so wird das ge-Verb unter der
Ableitungsbasis mitbeschrieben (z.B. gedagen, gediemüeten
unter dagen, diemüeten).
Gibt es Belege mit einer von der Ableitungsbasis abweichenden Bedeutung
oder abweichendem Gebrauch, so wird ein eigener Wortartikel erstellt (z.B.
gebrüstet). In der Wörterbuchstrecke vor h sind auch
Nachtragsartikel zu bereits geschriebenen Artikeln möglich (z.B.
gebrennen), da Belege mit ge- nicht immer vollständig
berücksichtigt wurden; ab h werden Belege mit ge-
konsequent unter der Ableitungsbasis beschrieben.
Lexikalisierte Bildungen mit ge- (z.B. gewinnen)
oder Präfigierungen mit ge-, zu denen kein präfixloses Verb belegt
werden kann (z.B. gemeierscheften), erhalten einen eigenen
Wortartikel.
– Lit.: DWB 4,1,1,1594-1628;
Wilmanns, Dt. Gr. 2,167f. und 241f.;
H.-W. Eroms, Zum Verbal-Präfix ge- bei Wolfram von Eschenbach, in:
Studien zu Wolfram von Eschenbach. Fs. W. Schröder. Hg. von K. Gärtner und J.
Heinzle, Tübingen 1989, S. 19-32
geæder
stN.
1 die Gefäße und Bänder im Körper; besonders Sehnen, Muskeln 2
‘Gezweig, Geäst’ (Glossar z.St.)? 3
1
die Gefäße und Bänder im Körper; besonders Sehnen, Muskeln:
man legte in uf daz cruce nider: / da worden sinen reinen
glider / und sin geeder uf gezogen / als die senewe uf den bogen
HvNstGZ
2793;
wan er gar durchstochen wart / an handen und an vûzen hart /
dâ daz geêder sich durchvlicht / und kumt zenander in sunder phlicht
JvFrst
8459.
7309;
Minneb
1282;
vertebrum: geder VocOpt
1.265
– Blutadern:
und ist daz der mage übergêt, sô gerætet der überfluz etewenne gein dem
houbete, daz dem menschen etewenne die ôren vervallent
[...]. gerætet ez danne in daz geæder, sô werdent
dir die hende zittern PrBerth
1:433,19
2
‘Gezweig, Geäst’ (Glossar z.St.)?:
ain sper, daz het er da, / daz was geluppet und stark, / kain
man [...] moht ez doch erstechen nie, / manc wildez gæder
ez ummvie WhvÖst
10226;
ain sper, daz manic guldin bant / ob wildem gæder besloz
ebd.
15575
3
von saphir cleine geeder [als Schmuck eines
Schildes]
Minneb
2443
ge|affen
swV.
→
effen
geæhten
swV.
→ âhten, æhten
2
‘jmdn. ächten lassen’.
unde anders kain sin friunt mugent in ze aehte bringen, wan die
davor genennet sint. unde swaz anderre friunde da ist, die mugent sine vinde wol sin,
sie mugent sin aber nit geaehten StRAugsb
102,31
u.ö.
geahten , geehten
swV.
→ ahten swV. 8
‘schätzen, veranschlagen’.
und di uzlude, di in irwedirs gerechte insizzint, di insolin wir
[...] nimmir me geherbergin noch geachten
UrkCorp (WMU)
N282,44;
aͤllû mâsse vnde alles gewæge das stat in der vier vnde zwenzig gewalt eins
ielichen dinges, vnde swenne sû die gemazont vnde geæhtint, so sun sû si einim
enpfelhin, swem sú went ebd.
248A,27
gealter
swM.
→
galter
gealter
stN.
‘Altersstufe, Lebensalter’
anden gealtern [...] der alten vn̄ der
kinde [
in his aetatibus, senum [...]
et infantum
]
BrAsb
37
geangelet
Part.-Adj.
‘stachelig’ (zu angel stM.):
als di geangiltin kevir [quasi bruchum aculeatum]
Cranc
Jer 51,27
gearen , gearn
Part.Prät.
→
ern
gearnede
stF.
auch garnde, geärnde, gärnde, garne.
‘Verdienst’
dô er [Gott] uns geschuͦf âne
unsere gearnede TrudHL
8,11;
daz enist idoch von unsern garnden niht, niwan von sinen genaden Konr(Sch)
147,35.
177,21.
213,10;
an alle iuwer garne ebd.
84,26.
194,29;
dar gildet got nach gearnden HeslApk
22817.
12675.
16330;
das si [die Bürgergemeinde von Wien] gepriset
[...] werde nach den geærnden irer triwe
UrkCorp (WMU)
2345,18;
so ere die weisen und die von gärnde zeerenn sein
HvHürnh
15,6.
3,17.
4,9;
vnde nit werdin irwelt nah ordin sunder nah des lebens garned
[secundum vitae meritum]
BrZw
21.
63
gearten
swV.
→ arten
‘guten art zeigen’.
daz wider der natiure / kein herze tugentlîche tuo, / dâ gehœret
michel arbeit zuo: / ez hât diu werlt vür eine lüge, / daz iemer unart garten müge
Tr
11638;
ähnlich TPMA 8,426 Nr. 16 (15. Jh.)
geæʒe
stN.
‘Speise’
daz mans vleisch zu tode sluc / allen tuvelen zu eime geese
HeslApk
10137;
daz ungarbe [unreine] geêze
JvFrst
3826.
3832
gebac
stMN.
‘Gebackenes’
wer ouch wil haben sînen mût / zû rûme deme gesmacke
[Geschmackssinn] / mit siedene und gebacke, / mit âze und
ouch mit dranke Erlös
6918
gebâge , gebæge
stN.
‘Streit, Zank’
dîn eigine mâge huoben dich ane ir gebâge. / der nît was ûf dich
grôz Gen
2940;
die nemuot hunger noh durst, hitze noh vrost, / die nehôrent
gebâge, die sehent einvalte genâde ebd.
1047;
unkiusche ist selten âne nît / und ân gebæge und âne strît WälGa
7204;
iurium: gebæge Gl
4:215,31
gebant
stSubst.
→
gebende
stN.
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