bovel
stMN.
aus afrz. poble, lat. populus (Kluge, 710).
‘(einfaches, niederes) Volk; Volksmenge’
sus huop sich vor / der bischof und der povel nâch
KvHeimHinv
711;
sîn bovel [Dienerschaft, Tross] man dort vor ersach: /
garzûne, koche unde ir knaben Parz
18,22;
Kurvenal / zu tôde zwêne schergen sluoc. / dâ was gesamentes bovels gnuoc, / daz
lief hin dan und vlôch den tôt HvFreibTr
3308;
verborgen wart Philôtas / daz im niht geschæhe / sô in daz povel sæhe, / wan ez
hât manec man daz lebn / von povels ruofe gegebn: / swie gevüege schulde er hât, / daz
povel in niht reden lât RvEAlex
19274;
din [Marias] helfe mac die richen / behalten und den
armen bovel KvWGS
795;
die fürsten zallervorderôst, / darnâch die besten überal, / dô
[dann] daz bovel âne zal LBarl
14093;
hin ze dem münster si gie / unde douhte sich ahtbære. / vor ir giengen ir
chamerære, / die daz povel hiezen weichen Serv
2499;
etlich gevielen daran, / man solt dem kunic disen man / her ûz der stat geben; /
des begunde widerstreben / der povel unde diu gemein Ottok
32430;
der plan [...] ist genant di stat der gemeine adir bovils
deshalbin, daz ein iclich mensche joch heiden mochte darin gan durch ynnikeit zu betene
Cranc
Uzl 264,2;
der sluc in mit eynim swerte und warf sin az in des unediln bovils grebir ebd.
Jer 26,23.
– ironisch:
wie höfsche liute habe der Rin, / daz ist mir wol mit schaden kunt
[...]. ez mac wol curteis povel sîn Marner
11,25
bovelîe
stF.
‘(einfaches) Volk’
dâ von wirt frevenlîchen balt / der rîchen ungerehter gwalt / gein der armen
povelî HvBer
1994
u.ö.
bovelman
stM.
‘Angehöriger des einfachen Volks’
er [Bauer im Schachspiel nach der Umwandlung] heizt
ouch niht mêr ein gebûr / noch dheiner hande povelman, / ob er die wirde erwerben kan
HvBer
10587
bovelvolc
stN.
‘einfaches Volk’
wir haben drîer leie liute ûf ertrîche. der heizen wir eine povelvolk, wan der ist
aller meiste und habent die minnesten êre. daz sint alle die niur die nôtdurft hânt, daz
sie sich mit êren wol hin bringen und ir kint und ir gesinde. ez sîn ritter oder gebûren
oder koufliute, die heizent daz povelvolk [im Unterschied zu
lantherren und fürsten
]
PrBerth
2:212,5;
mit moralischer Akzentuierung:
sô sleht etelîche [Ehefrau] ir man, daz sie vil arbeit
dâ von hât. daz tuont aber aller meiste niur unbiderbe liute, daz povelvolc: edele liute
oder sust frume liute die tuont daz niht ebd.
2:115,19;
PrBerthKl
2,35.
2,45;
JvFrst
7065.
7113
bôʒ
stM.
auch boʒ stN.
‘Schlag, Stoß’
von glanzer schilte bôze / [
:dôze
] wart dâ
gehœret lûter klac KvWTroj
33434;
iz quam ein snelleclîcher bôz / alse eins gêhen windes dôz, / dâvon ein hûs
erbiben sol Erlös
5857;
alle steine heben dan / zû einander einen bôz. / dâ wirt vil manec herter stôz
ebd.
6633.
–
do gap er ir ein guotez boz / und zoumtes als ein wildez ros Widersp
147
1bôʒe
swM.
‘Flachsbündel’
linistipula: pozzo SummHeinr
2:358,03.9
2bôʒe
swM.
‘Bursche, Kerl’ (vgl. SchweizId 4,1730f. s.v.
Poss):
seht umb den trunken bôzen [Noah] , / sîn
wîsheit ist enzwei KLD:Kzl
1: 1,11
bôʒen
swV.
beim Simplex sind nur sw. Formen bezeugt; st. dagegen ûʒ
(ge)bôʒen.
1
‘schlagen, klopfen, stoßen’ , intr. 1.1 ohne Präp.-Erg. 1.2 mit Präp. 2
‘jmdn. schlagen, stoßen’
3
‘etw. anstoßen, beginnen’
4
‘(das Fell) sträuben’
5
‘würfeln’ (um etw.) 6
‘kegeln’
1
‘schlagen, klopfen, stoßen’, intr.
1.1
ohne Präp.-Erg.:
– vom Herzen:
werdiu liebe drinne [im
Herzen] bôzet, diu mich selten ruowen lât
KLD:UvL
32: 7,5;
mîn herze wil / sich nah ir zerstôzen
[...] mir ist niht ein kindes spil / selkez
herzen bôzen SM:UvB
1: 2,6;
man moht do hoͤrn bozzen / daz hertz in der vorbrust; / sus
twungen in gelust WhvÖst
11532.
–
‘anklopfen’ (um Einlass):
daz hol er beslozzen vant. / dâ bôzte der gotes
degen; / [...] als in der meister hôrte
[...] er offent im des steines tür
RvEBarl
15311.
699;
da vant er beslozzen daz tor. / [...] zu
bozen er begunde / vil vaste und vil helle Rennew
19938;
do Jacob an daz venster quam / und bozte, ez wart im uf getan
Vät
30373.
–
die mangen [Steinschleudern] vaste bozten
Serv
1796
1.2
mit Präp.:
–
an etw.:
daz si
[
kiele
] niht zevielen, / als die
wintstôze / daran begunden bôzen Wernh
3136;
um Einlass:
der Trierære pôzzet an sîn tor Kchr
4477;
NibB
486,3.
487,3;
KvHeimUrst
2025;
sie bôzten an die tür aldâ, / sie riefen: herre, lâz
uns in! RvEBarl
3584;
übertr.:
sliuz uf des hertzen porten, / dar an er lange bozzet WhvÖst
1967.
–
an jmdn., übertr., ‘jmdn. angreifen’
di juden [...] begunden an in
[
Jesum
] bôzen / mit rûgen und
mit klagen JvFrst
6208.
–
in etw.:
der smac begonde in wisen / fvr sines gevateren tvr. /
da satzte sich her Ysengrin fvr, / dar in er bosen begonde
ReinFu
K,653.
–
nâch
‘um’ etw.:
min gebet sol dringen / hin zuͦ den himel porten, / nach gnaden
richen worten / ræssen und possen / mit minen súnden grossen SHort
3861.
–
ûf etw.:
von trumben und pusûnen hôrte man manigen krach, / floiten unde
blâsen, ûf sumber [Pauken] sêre bôzen Kudr
1572,3.
–
zuo etw., übertr.:
und da von liset man in apocalýpsi daz únser herre alleweg stat und
boset zuͦ des mentschen hertzen PrGeorg
178,14
2
‘jmdn. schlagen, stoßen’
und wurdent sere stossen / Ihesum und bossen / vil schmæchlichen har und dar
WernhMl
8792;
ich solle die boesen bossen / und sij mit den hornen stoßen / und auch mit der
spitze steche Pilgerf
490.
586;
sente Jacoben den grozen / wart er martirn unde bozen, / unz er zu iungest
tote in Macc
14174.
– übertr.:
dann wil ich yeclichen stoßen, / den einen schelden, den andern mit worten
bossen Pilgerf
10617
3
‘etw. anstoßen, beginnen’
er waiz umb wew, / daz im nicht geschaden chan / und get auch sein vreunt
nicht an, / als sich offt dw lauͤt zestozzent / und ein chrieg aus nichtew
pozzent Teichn
227,6
4
‘(das Fell) sträuben’
swenne der igel pruofte, wâ sich der wint hine kêrte, dâ bôzte er sîne hût und
kêrte sînen rücken dâ hine Eckh
2:139,6
5
‘würfeln’ (um etw.):
nicht alsô, daz gelôzt / sî und um di wât al gebôzt, / sundr um den roc einen
[den ungenähten Rock Jesu] nur, wem der gevîle
JvFrst
9330
6
‘kegeln’
waz arbeit lîdent manige liute / mit unkiusche und mit luoder hiute, / die man
siht spiln, schîben, bôzen Renner
6583.
10301.
17574
bôʒ(en)gëlt
stN.
‘Einsatz beim Kegelspiel’
ez sol auch weder man noch frawe vmb kein spilgelt, wettegelt, rennegelt, bozsen
oder schibegelt nihtes anders schuldig sin zu gelten [...],
danne als vil sie [...] als balde an derselben stat bezaln
mugen StRRotenb
489;
ir sollet wissin: daz kein richter sal richten obir geltspil, noch umme bozgelt,
noch wettegeld RbMagdeb
415,27
bôʒern
swV.
s.v.a.
bôʒen
‘anklopfen’
vnde zihant als etswer bozzirt [...] got
gnade er [
torwart
] antwrt [
et mox
ut aliquis pulsaverit (...) ‘Deo gratias’
respondeat
]
BrZw
66
bôʒkiule
stF.
‘Klopfkeule’
manic schiltkneht ouch hâte / an rucke und ûf ahsel biule / als die bôzkiule, / sô
swær er ûf im truoc Ottok
35157
bôʒkugel
swF.
‘Kegelkugel’
daz herz [des Menschen] würd in fünftzig
jâren alsô grôz als ain grôzeu pôzkugel und würd in den andern fünftzigen jâren alsô
klain als ain pôn BdN
27,25;
HvNstVis
493
bôʒolt
stM.
vermutlich ein Tanzname, hier obszön:
si wurden beide einander holt / des trâten si den bôzolt HeidinIV
1778
boʒschuoch
stM.
die Zuordnung zu bôʒ
‘Schlag, Stoß’ ist unsicher; vgl.
botschuoch
.
‘grobe Schuhe’
ii sotulares, quod vocatur bozschuch WeistErf
81
(zur Sache und sprachl. Erklärungsversuchen vgl. Anm. z.St.)
bôʒwurz
stF.
→
buoʒwurz
brâ
F.
1
‘Augenlid’
2
‘Augenbraue’
3
‘Wimper’
4
‘Rand, Einfassung, Saum’
1
‘Augenlid’
also skiero so diu brawa zesamine geslat MemMori
46;
also schiere so ein bra die andere beruͦren mac
Lucid
135,26;
HeslApk
20347;
Teichn
331,23;
die öber vnd die nidder bra / hal sich niht, die sah man, / vnd was das auge
zugetan Krone
24501;
die brâwen wâren eben, sleht / und in allewîs gereht. /
[...] keiner krümbe kunne / hâten diu hâr der ougenbrâ
[...]. / die überbrâ wârn
[...] schôn gebogen / ob dien ougen ze wâr WvRh
1331.
–
dem diu ougen ser sin an der bra BenRez
13;
im sint die oberen brâ swær Barth
156,17;
sie [Erwachende] streich
[rieb] die brâ und sach alumbe LvRegSyon
1627;
jr bran sint swere [...] si
wachint uil SalArz
33,58
2
‘Augenbraue’
dem ungevüegen manne / wâren granen unde brâ / lanc rûch unde
grâ Iw
445;
Halzibier der clâre / mit reitbrûnem hâre / und spanne breit
zwischen brân Wh
46,3;
die brâwen als ein benselstrich, / kleine sleht und wîplich Flore(G)
6889;
augbrawen, die sich
rurent [berühren] , / sweren mut bie in furent. / augbrawen
bie dez hares kal, / die hant auch kleiner krefte wal. / die brawen mit den augen
wagent, / vollich der kunste wol behagent. / und so ie minner ist die bra, / so
minner kunste wizzet da Physiogn
163;
dîn mündel ist rôsenvar, / eng unde wol gestalt; / dîn brâ sam si sîn gemâlt,
/ klein und ze mâzen hôch; / daz vel, dîn ougenüberzoch, / daz ist wîz als
liljenblat EnikWchr
12480;
er nibelt uz den brawen WhvÖst
12013;
sin braͮwen, die da warent sam die schwartzen woͤlkeli, die da
swebent ob dem glast der sunnen Seuse
551,22
3
‘Wimper’
ir oͮglider eben und schlecht, / aͮn allen bresten, wol gerecht;
/ ir brawen brun und wol gelich, / krumb ain wenig úbersich. / ob den oͮgen
hoch genuͦg / ir ober brawen, sere kluͦg, / als sú mit listen wærind
gar / gemalet an ain bilde dar WernhMl
965;
zahy wie vert dar obe / irs blickes glast, der zertlich sicht / uz augen
gro[z] durch browen liecht Minneb
3230.
– als Bezeichnung für etw. Geringes, zur Verstärkung der Negation:
vil minre denn ein stumbe / mohten sî gehœren. / ob ein krach mohte stœren
/ al die welt unz ûf ein ort, / er mohte von in niht gehôrt / umb ein brâwe
werden Reinfr
22355
4
‘Rand, Einfassung, Saum’
sie stuonden bî ein ander dâ / vil vürder ûf des steines brâ RvEAlex
1964;
al umbe des steines brâ / gât ein rinc, der ist grâ
Volmar
195;
die brawe oder sins kleides soͮm Tauler
274,2.
274,4.
– Lit.: Dolch, Augenbraue
brach
stM.
zu
brëhen
.
‘lautes Geräusch, Lärm, Schall’
die sper buten sô lûten crach, / daz der tambûren brach / man in der owe niht wol
vernam UvEtzAlex
9058;
und waz man vridis worchte / [...] den brâchin sî ân
undirlâz / mit ungestuirem brache NvJer
21906;
wan man kan / dicke ir
[Nachtigall] semftem brache nicht entwîchen: / wan sie echt
alle ruowen, so lât sie dar strîchen SM:UvB
7: 1,6;
WhvÖst
6059
u.ö.
bræch
stN.
‘(Münz-)Gepräge’
dô man daz bræch sach an / an den pfenningen guot EnikWchr
25244.
25239
brâche
stF.
1
‘das Umbrechen des Bodens nach der Ernte’ , 2
‘umgebrochen liegendes, unbestelltes Feld’
3
‘Zustand des Brachliegens’ , in der Wendung in ~
ligen
1
‘das Umbrechen des Bodens nach der Ernte’,
übertr.:
und han ich vreude unbehende / gehat von mynem schatze groz, / des mir vur
ander vil zu vloz, / so kume mit syner brache / uber mich her Gotes rache!
Hiob
11811
2
‘umgebrochen liegendes, unbestelltes Feld’
mit spern hurticlichen bedechet wart heid, anger, wis und brache JTit
3940,4;
wie si vuͦren uf stupfel und uf brachen ebd.
870,2;
so ez [Vieh] gnvͤc gizzet vf den maten, so
sol erz vz triben an die brache UrkCorp (WMU)
N815,8;
WeistGr
1,33;
der sne was groz, der luft was kalt / di brache warnt ubirfrorn
HeinzelRitt
57
3
‘Zustand des Brachliegens’, in der Wendung in ~
ligen:
sin buw im niht in brache lak, / er liez in niht verderben HeinzelJoh
58,1;
weitere mhd. Belege
DRW
2,440
und
UrkThurgau
5,275
(a. 1349)
bræche
stF.
1
‘Flüssigkeit, Geläufigkeit’ (des Sprechens) 2
‘Unterbrechung, Abbruch’
1
‘Flüssigkeit, Geläufigkeit’ (des Sprechens):
die zunge was im [Paulus] vollen balt / an
ordenlicher breche. / hievon ouch sin gespreche / lustsam muste in allen sin
Pass III
547,25;
siner zungen gelit / nach ordenlicher breche / was im gar ungespreche ebd.
119,35
2
‘Unterbrechung, Abbruch’
woͤlt ir der werden kuͤngin / behalten lib und guͦt
[...] / der haiden craft versnidet! / alrerst hat daz
[sc. gemach
] du [l.
nu?] bræche WhvÖst
16165
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